Ausschnitte aus hck: "Philosophie der Renaissance": Teil 1
Mein Einführungsband zur Geschichte der Philosophie der Renaissance (cf. http://www.phil-hum-ren.uni-muenchen.de/W4RF/YaBB.pl?num=1406550834 ) ist nun seit etwas mehr als einem Jahr auf dem Markt. Für diejenigen die sich dafür interessieren, den Band aber noch nicht kennen, habe ich vor ab jetzt in den folgenden Tagen/Wochen jeweils Auschnitte (normalerweise: Anfang und Schluss) der einzenen Kapitel hier zu posten (nicht in der gedruckten Version, sondern in einer Textversion die relativ nahe an der "elektronischen Langversion des Autors" ist.
Ja, ich bin mir darüber im Klaren, dass einiges was das steht und stehen wird bereits zum Zeitpunkt der Veröffentlichung etwas veraltet war, und dass manches inzwischen noch veralteter ist. Aber für eine Aktualisierung ist die Zeit noch nicht gekommen; ich vermute dass es bis zur Vorbereitung einer Neuauflage noch etwas dauern wird. Und zwischendurch beschäftige ich mich miit dem Projekt "Tiergeschichten".
Anyway: los gehts:
"
Gewidmet (mit herzlichem Dank)
den sehr zahlreichen Studierenden der Jahre 2007 bis 2013 ohne deren Fragen,
Einwände, Beiträge das was folgt sehr viel schlechter wäre als es ist.
Der vorliegende Band
unterscheidet sich in vielem von den anderen Epochen der Philosophiehistorie
gewidmeten Bänden der Reihe Grundkurs
Philosophie.[1]
Auf den ersten Blick bereits in der Länge des Vorworts. Dies nicht ohne Gründe
in der Sache - wie es auch nicht ohne sachliche Gründe ist, dass dieser Band
erst zu einem Zeitpunkt erstmals erscheint, zu dem die anderen entsprechenden
Bände bereits in 2. bis 4. Auflage vorliegen. Denn der Versuch für diese Reihe - oder auch sonst -
eine Einführung in die Philosophie der Renaissance zu schreiben, sieht sich
spezifischen Problemen gegenüber.
Eines der
Hauptprobleme jeglichen Überblicks über die Philosophie und Geistesgeschichte
der Renaissance - die Frage nach dem zeitlichen Anfang und Ende - stellt sich
aufgrund des Inhalts der beiden "flankierenden" Bände durchaus nicht
in voller Schärfe (Cusanus und Franciscus Suarez sind im Band Mittelalter behandelt, Descartes und Francis Bacon im Band Philosophie des 17. und 18. Jahrhunderts).[2]
Auch potentieller
inhaltlicher Dissens in bezug auf einige Detail-Aussagen in den bereits
vorliegenden Bänden ist durchaus keine Hürde - denn wo kein Dissens mehr ist,
da wird Wissenschaft langweilig.
Und auch dass sich "Philosophisches" an und in Texten der
Renaissance nicht in scharfer Trennung von anderen Wissenschaften behandeln
lässt, ist
hinreichend unproblematisch: trifft dieses doch auch (zumindest in Beziehung
zur Theologie) auf vieles an und in den Texten des Mittelalters und des 17./18.
Jahrhunderts zu.
Und: So sinnvoll und
wichtig eine Grundsatzdiskussion dazu, was Philosophiehistorie leisten könne und solle, auch sein mag: Es lässt sich hier
darauf verzichten. Die
anderen Bände liegen vor, und hier nun auch der der Renaissance gewidmete, und
Philosophiehistorie leistet jeweils das, was sie leistet … .
Doch es gibt darüber hinaus Probleme, die spezifisch sind für die
Geistesgeschichte und Philosophie der Renaissance, Probleme, denen sich
diejenigen, die
sich mit der Philosophie anderer Epochen befassen, nicht, oder zumindest nur in deutlich
geringerem Grade,
gegenübersehen:
Nicht ohne Grund
fehlen innerhalb Deutschlands (abgesehen von München und - in deutlich
geringerem Umfang - Münster) universitäre Schwerpunkte auf der Philosophie der
Renaissance, und nicht ohne Grund sind derlei Schwerpunkte auch außerhalb
Deutschlands selten: Es gibt Kontinuitäten zur Philosophie der Antike (vom "neoaristotelianism"
bis zu stoischer philosophischer Lebensberatung), es gibt im 19. mit 21. Jahrhundert
Wiederaufnahmen bzw. Rückbezüge auf Philosophien des Mittelalters (vom
Neuthomismus bis zur Occam-Rezeption der letzten Jahrzehnte), die Präsenz
zahlreicher philosophische Texte des 17. und 18. Jahrhunderts (mit Descartes' Meditationes beginnend) in
zeitgenössischer universitärer Lehre ist evident.
Derlei fehlt für
die Renaissance. Und Neukantianismus" mag sinnvoll sein, "Neuficinismus"
wäre unsinnig; Descartes' Meditationes
sind lesbar (und zum nicht geringen Teil verständlich) ohne Spezialwissen über Descartes'
Kontexte, Zeitgenossen, vom Autor gelesene Literatur, Publikumserwartungen,
etc., aber selbst ein so "einführender" Text wie Gregor Reischs Margerita philosophica stellt Personen
ohne entsprechendes Training vor kaum überwindbare Hindernisse; Leibniz wird
noch heute (und vermutlich weltweit) diskutiert, ein Bestsellerautor wie Titelmannus
ist selbst von manchen meiner hiesigen Kollegen ungelesen. Es gibt keine
Kontinuitäten, die leitend oder auch nur hilfreich für Auswahl und Darstellung
sein könnten zwischen heutiger Philosophie und den Philosophien, um die es in
diesem Band geht.
[1]
Band 6: Antike; Band 7: Mittelalter; Band 8/2: Philosophie
des 17. und 18. Jahrhunderts; Band 8: Philosophie des 19.
Jahrhunderts; Band 10: Philosophie des 20. Jahrhunderts.
[2]
Über Alternativen für Beginn (und, im Blick auf das letzte Kapitel
dieses Bandes [Paris 1625 / München 2013], auch Ende) dessen, was in diesem
Band behandelt wird, und etwaige Gründe, diesen vielleicht besser mit "Frühmoderne"
(o. dgl.) als mit "Renaissance" zu überschreiben, zu berichten, und
das Berichtete zu diskutieren, und die getroffene Grenzziehung und Benennung zu
rechtfertigen, würde Zeit kosten, die m. E. besser der Auseinandersetzung mit
den Texten, Personen, Themen, Kontexten, Phänomenen, über die dieser Band
handelt, gewidmet wird. Der Nutzen jeglicher Einteilung der Geistesgeschichte
in Epochen scheint mir nicht über rein Pragmatisches (wie z. B. die Aufteilung
der philosophiehistorischen Texte der Reihe, in der dieser Band hier erscheint)
hinauszugehen, und für die Benennung dieser Epochen scheint mir allein der
weitverbreitete Sprachgebrauch sinnvolle Entscheidungsgrundlage. Die Auswahl
der epochenbegrenzenden Jahreszahlen ist vielfältig: Für "Renaissance"
schwanken sie zwischen (mindestens) 1220 und 1483 für den Beginn und 1525 und
1700 für das Ende, und für "Frühmoderne", "Frühe Neuzeit"
u. dgl. zwischen (mindestens) 1100 und 1500 für den Beginn und 1667 und 1850
für das Ende. - Für eine Auswahl siehe den Thread Periodisations, borders unter
http://www.phil-hum-ren.uni-muenchen.de/W4RF/YaBB.pl?num=1212479446
[3]
""naiv"
lesbar" im Sinne einer nicht
einschlägig gelehrten Lektüre im Gegensatz zu einer "einschlägig
gelehrten Lektüre": naive Lektüre als Lektüre ohne Vorkenntnisse zu Genre,
Kontexten, Überlieferung, etc..
[4]
Diese Notwendigkeit zur
"Arbeit am Zitat" widerum macht den Band auch typographisch zum
Außenseiter in der Reihe.
<...>
Zusammenfassend: ist es zumindest mir (teils weil es
mir nicht sinnvoll erscheint, teils weil es nicht durchführbar ist) unmöglich,
durch eine der folgenden (und oben diskutierten) Weisen zu einer Festlegung der
Inhalte des projektierten Bandes zu kommen:
· Kontinuitäten zu heutiger Philosophie
können zur Auswahl nicht helfen, da derlei Kontinuitäten nicht existieren.[1]
· Dem Laien leicht zugängliche
philosophische Texte aus der Renaissance sind aus Sicht derjenigen, die sich
professionell mit ihnen beschäftigen, genauso schwer adäquat zu behandeln wie dem Laien
unlesbare Texte.
· Dem zu folgen, was andere
ausgewählt haben,
wäre nur dann sinnvoll, wenn auch den Prämissen der Vorgänger gefolgt würde;
diese sind jedoch zum einen nicht miteinander kompatibel, zum zweiten nicht
meine, und zum dritten sollte m. E. eine Darstellung wie diese so prämissenarm wie möglich auswählen.
· Auch eine Einteilung nach
philosophischen Schulen wäre von philosophischen Prämissen die nicht die der
bearbeiteten Zeit sind geleitet.
· Auf Auswahl zu
verzichten, ist
nicht möglich, da die Zahl der Texte und Autoren zu groß ist.
· Für eine Auswahl nach
zeitgenössischer "Wirkmächtigkeit" fehlen bislang (und wohl auch auf
mittlere Zukunft) die Werkzeuge.
· Die Texte sind zu viele, als dass
eine objektive inhaltliche Auswahl der "interessantesten" (gleich aus
welcher Perspektive) möglich wäre.
Daher habe ich
mich entschieden, für dieses
Projekt den Weg enzyklopädischen Vorgehens zu verlassen, und stattdessen
beispielhaft und diskutierend die Philosophie der Renaissance in der Verfolgung
von Kontexten so vorzustellen, dass die Breite, die Vielfalt, der Reichtum und
die Bedingtheiten des Philosophierens in der Renaissance deutlich werden, und
dem Leser Anreiz zu weiterer Lektüre und Untersuchung gegeben wird. Dabei wird
jeweils ein Ort und ein Jahr zum Ausgangspunkt gewählt.
Für die Auswahl
der Orte und Jahre wurden als Kriterien gewählt: Diversität, Verfügbarkeit von
Texten im Druck und in modernen Volkssprachen in einem (hoffentlich)
hinreichend großen Teil der Fälle,[2]
Weite des Gesamtbildes. Die einzige Entschuldigung der Willkür der Entscheidung
ist ihre Unvermeidlichkeit.
Die Arbeit am
vorliegenden Band hat sich über mehrere Jahre hingezogen, meine Auseinandersetzung
mit einigen der behandelten Texte und Autoren erstreckt sich über Jahrzehnte,
meine Notizen sind unvollkommen und unvollkommen geordnet, desgleichen mein
Gedächtnis: ich habe die zu Grunde liegende Literatur nach bestem Wissen und
Gewissen angegeben, aber: Sollte es Stellen geben, wo meine Interpretationen formende Literatur
nicht angeführt wurde, so bitte ich um Mitteilung für späteren Nachtrag.
Man nehme den Band
als Experiment. Wenn er zum Weiterlesen, zur eigenen Auseinandersetzung mit den
behandelten Texten, Autorinnen und Autoren, Phänomenen, Kontexten anregt, so
ist das Experiment geglückt.
[1]
Copenhavers Präsentation von
Affinitäten zwischen Philosophen des 20. Jhd.s und solchen der Renaissance (cf.
Brian P. Copenhaver & Charles B.
Schmitt: Renaissance Philosophy (Oxford [Oxford University Press] 1992), pp.
329-357) kommt zum gleichen Ergebnis (p. 339) der Inexistenz solcher
Kontinuitäten.
[2]
Dieses Kriterium hat zur Folge,
dass Texte universitärer Philosophie (die fast alle lateinisch sind) nicht in
dem Maße Berücksichtigung gefunden haben, das der Zahl der Texte und Autoren
angemessen wären. Dies ist Kontext und Zweck der vorliegenden Einführung - die
sonst wohl zu mehr als 80% eine "Einführung in universitäres
Philosophieren der Renaissance unter Erwähnung bekannterer Autoren und Texte in
weniger als zehn Fällen" geworden wäre - geschuldet. Auch die Auswahl der
angegebenen Sekundärliteratur und der verwendeten Ausgaben orientiert sich an
diesem Kontext und Zweck: angeführt wurde (neben zentral verwendeter Literatur) das von dem zu hoffen stand, dass es
den Leserinnen und Lesern hinreichend leicht zugänglich sei. Aus demselben
Grunde haben nur handschriftlich vorliegende Texte bei weitem nicht in dem
Umfang Berücksichtigung gefunden der ihrer Bedeutung im hier behandelten
Zeitraum entspricht (wobei auch hier wieder primär universitäres - vor allem
Vorlesungsmanuskripte/mitschriften - betroffen ist).
"
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