Ausschnitte aus hck: "Philosophie der Renaissance": Teil 6
Hier nun der sechste Teil der Ausschnitte aus meinem 2014 erschienenen Einführungsband
zur Philosophie der Renaissance. Zum Kontext und für Auszüge aus dem
Kapitel "München 2013" siehe hier. Auszüge aus dem
vorigen Kapitel ("Wien 1489") gibt's hier .
Und hier die
Ausschnitte:
"
Florenz 1519
1519 (oder 1520, oder 1521 - je nach
Datierung des Textes der im Mittelpunkt dieses Kapitels steht),[1]
das ist das Jahr, in dem Niccolò Machiavelli[2]
(jahrelang Verwaltungsangestellter des Gemeinwesens Florenz, später geschasst, Militärtheoretiker,
politischer Reiseschriftsteller, Dramatiker, Literat,[3]
noch heute gerühmt ob seines luziden Prosastils[4])
versucht zu tun, was nach seiner eigenen Aussage das ist, was jemanden in
höchstem Maße verehrungswürdig und wunderbar macht: er versucht seiner
Heimatstadt Florenz[5]
eine neue und gute politische Ordnung zu geben.
In De principatibus[6]
(dem Werk, das im Deutschen heute meist unter dem Titel "Der Fürst"
bekannt ist), hatte er geschrieben:
E veruna cosa fa tanto onore a uno uomo che di nuovo surga, quanto fa le nuove legge e li nuovi ordini trovati da lui: queste cose, quando sono bene fondate et abbino in loro grandezza, lo fanno reverendo e mirabile.[7]Und nichts bringt einem Mann der neu aufsteht[8] so viel Ehre als wenn er die neuen Gesetze und die neuen Ordnungen macht, die er erfunden hat: diese Sachen, wenn sie gut fundiert sind und in sich Größe haben, machen ihn verehrungswürdig und erstaunlich.
Im selben Werk steht
aber schon vorher[9]
zu lesen:
Ma sendo l'intenzione mia [stata][10] scrivere cosa che sia utile a chi la intende, mi è parso più conveniente andare drieto alla verità effettuale della cosa che alla immaginazione di essa. E molti si sono immaginate republiche e principati che non si sono mai visti né conosciuti in vero essere. Perché gli è tanto discosto da come si vive a come si dovrebbe vivere, che colui che lascia quello che si fa, per quello che si dovrebbe fare, impara più presto la ruina che la preservazione sua: ...[11]
Aber nachdem es meine Absicht ist, etwas zu schreiben das dem der es versteht nützlich ist, schien es mir konvenienter direkt zur wirklichen Wahrheit der Sache zu gehen, als zu einem Vorstellungsbild von dieser. Und viele haben sich Republiken und Fürstentümer ausgedacht die in wahrer Existenz nie gesehen oder gekannt wurden. Denn es einen so großen Abstand gibt zwischen dem wie man lebt und dem wie man leben müsste, dass derjenige, der das was man tut aufgibt für das was man tun müsste, viel eher seinen Untergang lernt als seinen Erhalt.
Erdachte Gemeinwesen,
Idealstaaten: das gehört für Machiavelli zu literarischer Vergangenheit,[12]
ihm geht es um die faktische Gegenwart.[13]
1513 (als De principatibus entstand)
war Thomas Morus' Utopia[14]
noch nicht veröffentlicht. Dafür dass er sie 1519 (als sein Discursus, der "Leittext"
dieses Kapitels hier ist, entstand) gekannt hätte ist mir kein Beleg bekannt -
obwohl Morus' Werk auch in Florenz gerade im Jahr 1519 (als Anhang einer
Lukian-Ausgabe)[15]
gedruckt wurde.[16]
Eine scharfe Scheidung zwischen
Texten über ausgedachte Gemeinwesen und Texten für die reale politische
Wirklichkeit und Wirksamkeit scheint nach Machiavelli möglich. Doch mir scheint sie oft schwierig. Selbst
Morus' Utopia enthält Auseinandersetzungen
mit ungeschehener[17]
wie mit teilweise existierender Englischer Gesetzgebung,[18]
und war (zusammen mit anderem) maßgebliche Vorlage für die von Vasco de Quiroga erdachten, geordneten
und gegründeten - und bemerkenswert dauerhaften - mexikanischen Gemeinwesen.[19]
Und auf der anderen Seite ist der Grad geschehener Realitätsumsetzung selbst
bei Machiavellis Texten,[20]
und Harringtons Oceana[21]
gelinde gesagt gering.[22]
[1]
Es handelt sich um den Discursus florentinarum rerum post mortem
iunioris Laurentii Medices (ed. Jean-Jacques Marchand in: Niccolò Machiavelli
(edd. Jean-Jacques Marchand, Denis Fachard & Giorgio Masi): L'arte della guerra : Scritti politici minori, Roma [Salerno
editrice] 2001, pp. 621-641 (Edition der Entwurfsfassung: pp. 697-710). Die
Datierung in der Einführung zu dieser Edition (op. cit., p. 623s) auf 1520 oder
1521 geht davon aus, dass der Text aufgrund einer Anforderung durch Giulio
de'Medici entstand, und nicht aufgrund Eigeninitiative Machiavellis. Da weder
der Titel des Textes noch sein Eröffnungsabsatz auf einen deratigen Auftrag durch
Giulio de'Medici schließen lassen, und sich der Text selbst direkt an den
(damaligen) Medici-Papst (Leo X.) und nicht an den (damaligen) Kardinal Giulio
de'Medici richtet, scheint mir Entstehung aufgrund Eigeninitiative Machiavellis
nicht unwahrscheinlich (geschweige denn unmöglich); in solchem Falle wäre März
1520 terminus ante (cf. op. cit. p.
624 & 624n14); falls Marchand
(op. cit. 624) recht hat, so ist der Text zwischen November 1520 und Januar
1521 entstanden. Najemy (siehe folgenden Absatz) datiert auf 1520 (was nach
beiden Hypothesen zu den Entstehungsgründen möglich ist).
Für ältere
Sekundärliteratur zu diesem Text und seinen Kontexten (und eine immer noch
lesenswerte Einführung) siehe Sergio Bertelli
(ed.): Niccolò Machiavelli (edd. Jean-Jacques Marchand, Denis Fachard
& Giorgio Masi): L'arte della guerra e scritti politici
minori, Milano [Feltrinelli] 1961, pp. 247-260. John M. Najemys Analysen und Kommentare zu
diesem Text Machiavellis in seinem (Najemys) A history of Florence 1200-1575, Chichester : Blackwell 2008, pp.
437-440 ist extrem lesenswert und stimmt in mehrerem mit meinen eigenen
Urteilen über Bemerkenswertes im Text Maxhiavellis überein.
Im folgenden werde
ich den Discursus florentinarum rerum
post mortem iunioris Laurentii Medices nach der erwähnten Ausgabe
Marchands, mit der Abkürzung DFR
gefolgt jeweils von Satz- bzw. Absatznummer (§) und Seitenzahl(en) zitieren.
Der Text steht unter URL http://machiavelli.scarian.net/machiavelli_discursus_florentinarum_rerum.html
(gesehen 2011-08-18) auch im
Internet zur Verfügung - wenn auch nicht in der von mir verwendeten Edition
sondern (laut eigener Auskunft) einer Ausgabe durch Ezio Raimondi gedruckt 1966 folgend.
[2]
Teile dieses Kapitels basieren
auf Heinrich C. Kuhn: Niccolò Machiavelli (1469-1527): A Good
State for Bad People, in: Paul Richard Blum (ed.): "Philosophers of the Renaissance", Washington
[The Catholic University of America Press] 2010, pp. 116-123 und dessen
deutschsprachiger Vorgängerversion (Niccolò
Machiavelli (1469-1527) : Guter Staat für schlechte Menschen" in:
Andreas Graeser (ed.): "Grosse Philosophen", Darmstadt
[Primus] 2001, pp. 337-343 = Niccolò
Machiavelli. Guter Staat für schlechte Menschen, in:
Paul Richard Blum (ed.): "Philosophen der Renaissance : Eine Einführung",
Darmstadt 1999, pp. 104-110, und auf Heinrich C. Kuhn: Ideal Constitutions in
the Renaissance: Sizes, structures, dynamics, (dis)continuities in:
Heinrich C. Kuhn & Diana Stanciu (edd.): "Ideal Constitutions in the Renaissance",
Frankfurt a.M. [Peter Lang] 2009, pp. 9-27. Zu den Gründen solcher
Wiederverwertung von bereits veröffentlichtem gilt was ich auch schon im
vorigen Kapitel geschrieben habe: Solches Vorgehen scheint mir erwähnenswert,
aber nicht illegitim: Ich sehe keinen Grund alles was ich bevor ich diesen Band
hier begonnen habe geschrieben habe für thematisch zu irrelevant für die
Behandlung in einem Band wie diesem zu erklären; und ich sehe keinen Grund
etwas das ich an anderem Ort in von mir - damals - in mir bestmöglicher
Formulierung gesagt habe, hier in schlechterer Formulierung zu sagen nur um
Formulierungsidentität zu vermeiden.
Eine Einführung zu
Leben, Werk und Nachleben gibt, mit einem Verzeichnis wesentlicherer Literatur
bis zu den frühen 1980er Jahren August
Buck: Machiavelli, Darmstadt [Wissenschaftliche Buchgesellschaft] 1985.
Über Ausgaben des 16. mit 19. Jahrhunderts informiert: Sergio Bertelli & Piero Innocenti: Bibliografia Machiavelliana, Verona [Edizioni Valdonega] 1979.
Über neuere Literatur zu Machiavelli informieren die Bibliographie internationale de l'humanisme et de la Renaissance (ISSN:
0067-7000), sowie (wenn auch auf mit einem gewissen Schwerpunkt auf
Zeitschriftenbeiträgen - allerdings inklusive Rezensionen von Monographien und
Sammelbänden) die Iter Bibliography ; aktueller, aber auf Beiträge in
ausgewählten "allgemeiner orientierten" und meist englischsprachigen
Zeitschriften beschränkt, ist die Datenbank Current
contents bzw. Web of Science des
ISI.
[3]
Machiavelli bietet in seinen
Werken genug der Widerprüche, Sprunghaftigkeiten, Inkonsistenzen und dunklen
Stellen, um bis heute und auch noch in Zukunft schlüssiger Interpretation
Widerstände entgegenzusetzen, bietet seinen Leserinnen und Lesern mehr als genug
des Außerordentlichen. Die Sekundärliteratur ist - gelinde gesagt - reichhaltig
und vielfältig; was an der neueren Sekundärliteratur die wichtigsten Texte
seien, darüber besteht keine Einigkeit, und sie ist zu umfangreich um sie hier zu bibliographieren
(siehe zur Sekundärliteratur auch den zweiten Teil der vorigen Fußnote).
Für Inkonsistenzen
zwischen einzelnen Werken Machiavellis selbst vergleiche man z.B. die durchaus
untereinander abweichenden Aussagen ◊ zu Festungen in De principatibus und den Discorsi
(z.B. De principatibus cap. 20
[Niccolò Machiavelli (ed. Giorgio Inglese): De principatibus,
Roma [Istituto Storico Italiano per il medio evo] 1994, p. 287s - zum Gebrauch dieser Ausgabe in diesem Beitrag statt
der von Martelli und Marcelli [Mario Martelli & Nicoletta Marcelli (edd.): Niccolò Machiavelli: Il Principe, Roma [Salerno] 2006] siehe unten)) im Vergleich zu
Discorsi II cap. 24 (Niccolò Machiavelli
(ed. Francesco Bausi): Discorsi sopra la prima deca di Tito Livio, Roma [Salerno] 2001, pp. 463sqq), ◊ die
unterschiedlichen Einschätzungen der Florentiner politischen Ordnung in der Provisione della ordinanza / den Provissioni della repubblica di Firenze per
istituire il magistrato de' nove ufficiali dell' ordinanza e milizia fiorentina
... Provisione prima (Niccolò Machiavelli
(edd. Jean-Jaques Marchand,
Denis Fachard & Giorgio Masi): L'arte della guerra, Scritti politici minori, Roma [Salerno] 2001,
pp. 477sqq) im Vergleich zu parallelen Passage in La cagione dell'ordinanza dove si trovi e quel che bisogni fare /
im Discorso dell' ordinare lo stato di
Firenze alle armi Niccolò Machiavelli
(edd. Jean-Jaques Marchand,
Denis Fachard & Giorgio Masi): L'arte della guerra, Scritti politici minori, Roma [Salerno] 2001,
pp., 470sqq), ◊ die Aussagen zu
Francesco Sforza in der Arte della guerra
I (ed. cit., p. 42s) im Vergleich zu denen in De principatibus cap. 7 (Niccolò Machiavelli (ed. Giorgio Inglese):
De principatibus, Roma [Istituto Storico Italiano per il medio
evo] 1994, p. 208); für innere Widersprüche in den Discorsi (und einen Versuch, sie durch Überlegungen zur Chronologie
der Entstehung aufzulösen) siehe Francesco Bausi:
I 'Discorsi' di Niccolò Machiavelli :
Genesi e strutture, Firenze [Sansoni] 1985 (und auch Bausis Introduzione zu Niccolò
Machiavelli (ed. Francesco Bausi): Discorsi sopra la prima deca di Tito Livio, Roma [Salerno] 2001.
[4] Sebastian
De Grazia: Machiavelli in hell, New York [Vintage Books] 1994, p. 3 nennt ihn
Italiens größten Prosaiker ("her greatest writer of prose").
[5]
Für die politischen Kontexte
(und Vorgeschichte) siehe John M. Najemy:
A history of Florence 1200-1575,
Chichester [Blackwell] 2008, pp. 250-306 & 341-446.
[6]
Ich folge, wie erwähnt, der
Ausgabe Ingleses (Niccolò Machiavelli
(ed. Giorgio
Inglese): De principatibus,
Roma [Istituto Storico Italiano per il medio evo] 1994), im folgenden zitiert
als DP1994, und nicht der durch
Martelli und Marcelli (Mario Martelli & Nicoletta Marcelli (edd.): Niccolò Machiavelli: Il Principe, Roma [Salerno] 2006), im folgenden zitiert als DP2006. Beider Ausgaben
Begründungen für ihre textkonstituierenden Entscheidungen sind m.E. nicht ohne
Plausibilität, und beider Ausgaben Begründungen zwingen m.E. nicht zur
Zustimmung. Beide Ausgaben gehen (m.E. überzeugend) davon aus, dass es nicht
einen einzigen festen, unveränderten Archetyp gegeben hat; beider Stemmata
verwenden postulierte nicht-erhaltene Handschriften (man vergleiche DP1994, p.
152s und DP2006, p. 424), wobei aber DP1994 (pp. 153-157) offener, tentativer, unendgültiger, und nicht
zuletzt soweit ich sehe dem Phänomen der Kontaminationen verschiedener
Handschriften mehr Gewicht beimessend ist. DP2006 (insbes. pp. 347-424)
begründet seine Hypothesen zur Textentstehung und Filiation in sehr erheblichem
Maße inhaltlich; d.h.: diese Ausgabe
geht davon aus aus inhaltlichen Gründen sagen zu können, was dort wo
unterschiedliche Lesarten vorliegen die richtige Lesart sei; wer so vorgeht
setzt voraus den Sinn eines Textes verstanden zu haben bevor dieser Text
konstituiert ist: die Reihenfolge ist von der Interpretation eines so nicht
überlieferten "idealen" Textes durch den oder die Herausgeber zu dem
Text den die Leser/innen der Ausgabe dann zu interpretieren versuchen; ob (und
ggf. aus welchen Gründen) es Herausgeberaufgabe sei so, oder zurückhaltender zu
edieren mag dahingestellt sein; Personen ohne Erfahrung in der
Auseinandersetzung mit dem Text und seiner Überlieferung (die nicht den
geringsten Teil der erhofften Leserinnen und Leser dieser Seiten hier
darstellen) werden so jedenfalls mehr als nötig auf eine bestimmte
Interpretation des Textes (gleich ob richtig oder falsch!) festgelegt als
nötig. DP1994 ist im Vergleich zu DP2006 stärker texthistorisch in den
Argumentationen die zu seiner Textkonstitution hinführen. Zudem weicht DP2006
stärker als DP1994 von der die vorherige Interpretation leitenden Tradition der
Textüberlieferung ab (was nur dann ohne Gewicht wäre wenn der Test von DP2006 zwingend überzeugender, oder zumindest
weitaus plausibler wäre als der von DP1994 - was er zumindest für mich nicht
ist). Hinzukommt, dass DP1994 einen Text mit kräftiger Florentinischem (statt
"nur" Toskanischem) Akzent bietet, was dazu führt dass es beim Lesen
schwerer ist die Verortung des
Textes zu übersehen, zu übergehen, zu vergessen - ein
"autodidaktischer" Grund DP1994 zu bevorzugen. Dies sind meine Gründe
weiterhin DP1994 zu verwenden. Wer auch immer sich mit De principatibus beschäftigt und Italienisch liest wird - selbst
dann wenn der Text von DP1994 vorgezogen wird - gut daran tun, DP2006
mindestens wegen der Kommentare zum Text (in den Fußnoten zum Text) ebenfalls
zu konsultieren.
[7]
DP 1994 (c. 26) p. 309.
[8]
i.e.: einem "Neuen
Fürsten", einem Herrscher der sein Amt nicht ererbt hat. DP2006, p. 316
& 316n23 weicht in Text ("si
veggia" statt "surga")
wie Interpretation ab: in etwa (n23): jemand der als Handelnder beginnt
sichtbar zu werden: was weniger plausibel erscheint, da für eines solchen noch
nicht erkennbar wäre, dass seine Gesetz- und Ordnungsgebung wohlfundiert ist -
solches wird erst an ihrer Stabilität ersichtlich. (Man missverstehe mich
nicht: Ich halte inhaltliche Plausibilität für - von Extremfällen abgesehen -
kein taugliches Kriterium der Auswahl der einer Diskussion zugrundegelgten
Edition, oder der Auswahl einer Leithandschrift, da "inhaltliche
Plausibilität" letztendlich nichts anderes bedeutet, als Tauglichkeit als
Beleg für die Interpretation der interpretierenden Person, und somit
Interpretation und Grundlage der Interpretation, Argumentation und Prämisse der
Argumentation sich gegenseitig [wenn's nicht zu schmal für beinen Kries wäre,
könnte man sagen: zirkulär] begründen. Einziger Zweck der Anführung der
inhaltlichen Überlegenheit des Haupttextes von DP 1994 über den von DP 2006 war
zu zeigen, dass nicht erfolgreich behauptet werden kann, DP 2006 sei durchweg aus Gründen inhaltlicher
Plausibilität überlegen.)
Im Folgenden
verzichte ich auf eine Aufführung und Diskussion der Abweichungen zwischen DP
1994 und DP 2006: zum einen scheint mir in einem einführenden Text wie dem hier
vorgelegten nicht der rechte Platz dafür (da dies hier vom Genre her kein Machiavelli-Kommentar
ist), und zum anderen scheint es mir nicht von Interesse: wer mit dem
Italienischen Text von De principatibus
arbeitet wird entweder ohnehin beide Ausgaben vergleichen, oder aus
wohlerwogenen Gründen einer von beiden so starken Vorrang geben dass ein
solcher Vergleich (ihm oder ihr) unterbleiben kann. Für eine künftige
Neuübersetzung von De principatibus
ins Deutsche (und/oder andere Sprachen) steht wer übersetzt vermutlich vor
schwierigeren Entscheidungen als ich sie hier getroffen habe.
[9]
Vgl. auch (im selben Kapitel wie
das im folgenden zitierte [und dort etwas später]): "Lasciando adunque adrieto le cose circa
uno principe immaginate, e discorrendo quelle che sono vere, dico ..."
(DP 1994 (c. 15, p. 254): "Da
ich daher die Sachen die man sich in bezug auf einen Fürsten vorgestellt hat
hintermir lasse, und über die Sachen handle, die wahr sind, sage ich ...".
[11]
DP 1994 (c.15), p. 253.
[12]
und ist ihm als Handlungsvorlage
für politisch tätige Menschen gefährlich.
[13]
Durchaus unter Nutzung von
Geschichtsschreibung, die von Machiavelli aber - soweit ich sehe - nie als
litearisches Produkt diskutiert wird, wohl aber, wo er selbst als
Geschichtsschreiber tätig wird, von den Quellen abweichend gestaltet
(exemplarisch in seiner Biographie des Castruccio
Castracani).
[14] Thomas
Morus: Utopia = Edward Surtz
& J. H. Hexter (edd.): The Complete Works of St. Thomas More ;
Volume 4, New Haven : Yale University Press 1979. Zur
Entstehungszeit der Utopia (1514-1516)
siehe Hexters Einfohrung, op. cit., pp. XVsqq.
[15]
Bibliographische Beschreibung: http://gateway-bayern.de/BV021253720
und (insbes.) vom "OPAC SBN" ( http://www.sbn.it
bzw. http://opac.internetculturale.it/
):
Livello
bibliografico:
Monografia
Tipo documento:
Testo a stampa
Autore:
Lucianus
Titolo:
Luciani Opuscula Erasmo Roterodamo interprete. Toxaris, siue de
Amicitia. Alexander, qui et Pseudomantis Gallus siue somnium Timon, seu
Misanthropus ... Declamatio Mori de eodem. Eiusdem Thomae Mori. De optimo Reip.
statu deque noua insula Vtopia libellus vere aureus
Pubblicazione:
(Impressum Florentiae : per haeredes Philippi Iuntae,
1519 anno a christiana salute supra mille mense Iulio ...)
Descrizione fisica:
279 [ i.e. 284! c. ; 8o
Note Generali:
Segn.: a-z8 (et)8 (cum)8 (rum)8 A-I8 K4
Marca tip. in fine
Numeri:
Impronta - n-ti umi- i-ru rebu (3) 1519 (R)
Marca: Marca non controllata
Nomi: Lucianus
Erasmus : Roterodamus
More, Thomas <1478-1535>
[Editore] Giunta, Filippo <1.> eredi
Paese di pubblicazione:
ITALIA
Lingua di pubblicazione:
latino
Codice del documento:
IT\ICCU\RMLE\020531
[16] Zu
den frühen Ausgaben der Utopia siehe Surtz in Thomas Morus: Utopia = Edward Surtz
& J. H. Hexter (edd.): The Complete Works of St. Thomas More ;
Volume 4, New Haven : Yale University Press 1979, pp. CLXXXIII-CXC. Zur
Florentiner Ausgabe von 1519 dort p. CXC.
[17] Vgl.
Hexters Ausführungen zu
strafrechtlichem in Edward Surtz
& J. H. Hexter (edd.): The Complete Works of St. Thomas More ;
Volume 4, New Haven : Yale University Press 1979, p. CXVIII.
[18] cf.
Edward Surtz & J. H. Hexter (edd.): The Complete Works of St. Thomas More ; Volume 4, New Haven : Yale
University Press 1979, p. 325sn64/31 zu "enclosures" und Hartmut Zückert: Allmende und Allmendaufhebung : Vergleichende Studien zum
Spätmittelalter bis zu den Agrarreformen des 18./19. Jahrhunderts,
Stuttgart: Lucius & Lucius 2003, p. 137 (Konsultiert via Google books).
[19] Siehe
Heinrich C. Kuhn: Ideal Constitutions in the Renaissance:
Sizes, structures, dynamics, (dis)continuities in:
Heinrich C. Kuhn & Diana Stanciu (edd.): "Ideal Constitutions in the Renaissance",
Frankfurt a.M. [Peter Lang] 2009, pp. 9-27, hier p. 12 und 15, und die dort
angegebene Literatur: insbes. Vasco de
Quiroga: [Opera] (= Paz Serrano Gassent [ed.]: Vasco de
Quiroga: La Utopía en América, Madrid :
Historia 1992), pp. 229, 245s
& 265-286, Fintan B. Warren: Vasco de Quiroga and his Pueblo Hospitals of
Santa Fe, Washington : Academy of
American Franciscan History 1963, insbes. pp. 29s & 34 & 114s
&119s. Für Kontexte extrem aufschlussreich ist Bernardino Verástique: Michoacán and Eden : Vasco de Quiroga and the Evangelization of Western
Mexico, Austin: University of Texas Press 2000
[20]
Zum Discursus von 1519 siehe weiter unten. zu De principatibus siehe Ingeleses
Ausführungen in DP 1994, pp. 7-10 (vgl. auch DP 2006 p. 23& p. 55n1) zur
Dedikationsgeschichte des Werkes.
[21] James
Harrington (ed. John G. A. Pocock): The Commonwealth of Oceana and A System of
Politics, Cambridge : Cambridge University Press 1992. Harringtons
Text wird gelegentlich als unübersichtlich empfunden. Wer nach bestimmten Termini darin sucht dem steht
der in elektronischer Form (u.a.) unter den URLs http://socserv.socsci.mcmaster.ca/~econ/ugcm/3ll3/harrington/oceana und http://www.gutenberg.org/dirs/2/8/0/2801/2801-8.txt bzw. http://www.gutenberg.org/dirs/2/8/0/2801/2801.txt (alle gesehen 2011-08-049 zur Verfügung.
[22]
Wo in den Texten des 14. mit 17.
Jahrhunderts zu (relativ oder absolut) "besten Gemeinwesen" (in der
Formulierung Morus: "De optimo statu reipublicae"), wo in diesen
Texten (abgesehen vom eben erwähnte
Beispiel Quirogas und dem oben im Kapitel "Prag 1356" angesprochenen Defensor pacis des Marsilius von Padua)
die größte "Realitätsnähe" zu finden wäre weiss ich nicht zu sagen,
ein guter Kandidat könnte Christine
de Pizans Le livre du corps de policie
(Edition critique avec introduction, notes et glossaire par Angus J. Kennedy), Paris : Honoré Champion 1998
sein.
<...>
Perfekt: einzige
mögliche Lösung, eine Verfassung für den Übergang, eine Verfassung die ohne
formale Veränderung den Übergang von einer Medici-Monarchie in eine Republik
ermöglicht, Abwehr von Gefahren, Sicherheit, größter Ruhm für den Medici-Papst
(und ohne dass das gesagt würde: wohl auch für Machiavelli).
Der Text hat auch
durchaus Interesse gefunden: wir wissen von 7 überlebenden Handschriften.[1]
Doch die Medici
folgen (nach einem durch Aufstand verursachten republikanischen Interludium)
nicht Machiavellis Rat, sondern dem Goro Gheris (der, ebenso wie Machiavelli
nach dem Tod des jüngeren Lorenzo de'Medici schreibend, dynastische
Medici-Nachfolge unter Rückgriff auf uneheliche Abkommen empfohlen hatte).[2]
Florenz wird Erbmonarchie - ohne dass dafür die formale Verfassung von Florenz
in mehr als einem Punkt verändert werden musste.[3]
Schriften zur
Verfassung bester Gemeinwesen sind in der Renaissance durchaus häufig,[4]
Einfluss auf Ordnung, Institutionen und Prozesse realer Gemeinwesen aber
scheint - mit Ausnahme der Texte und Gründungen Quirogas[5]
- nicht belegt. Für "utopische" Texte mit offensichtlicher späterer
Umsetzung in Realität muss man wohl bis in's 20. Jahrhundert (mit Lenins Was tun und Khomeinis Wilāyat Faqih) warten. Und auch erst im
20. Jahrhundert haben die Schriften zur Verfassung bester Gemeinwesen aus der
Renaissance breite sekundärliterarische Behandlung gefunden.[6]
Die Verbindung der Form des Reiseberichts bei nicht wenigen dieser Texte mit
dem Wissen über Entdeckungsreisen jener Zeit mag für ihre Anziehungskraft nicht
unerheblich sein.
Dass in vielen
dieser erdachten Gemeinwesen Gelehrte herrschen,[7]
mag manchen der über sie Sekundärliteratur schreibenden Gelehrten nicht
unwillkommen sein.[8]
Vor allem aber
dokumentieren die Primärtexte (gleich ob universitär oder extrauniversitär,
gleich ob innerhalb oder außerhalb von Verwaltungskontexten entstanden) dass zu
jener Zeit politische Verhältnisse für veränderbar gehalten wurden, und das
Schreiben über Alternativen für sinnvoll, und die Alternativen vielgestaltig,
und situationsbezogen.[9]
[1]
op.cit., p. 621s. Zum Vergleich:
19 Handschriften für De principatibus
(ohne die vom Druck abhängigen): DP1994, p. IXs & pp. 37-56.
[2]
John M. Najemy: A history of Florence
1200-1575, Chichester [Blackwell] 2008, p. 442 für diesen Rat, und pp. 441-468
für weitere Ratschläge und vor allem die weiteren Geschehnisse.
[3] John
M. Najemy: A history of Florence 1200-1575, Chichester [Blackwell] 2008, p.
468s.
[4] Siehe
z.B. Denis Brukmans & Laurent Portes: La littérature utopique : bibliographie séléctive, URL http://expositions.bnf.fr/utopie/cabinets/rep/indbiblio.htm (2004-07-07, gesehen 2011-08-19)
und die in Heinrich C. Kuhn & Diana Stanciu (edd.): "Ideal Constitutions in the Renaissance",
Frankfurt a.M. [Peter Lang] 2009 diskutierten Texte. Eine sehr nützliche
Basis-Bibliographie für extrauniversitäre und extraadministrative Texte ab 1516
ist: Richard Serjeantson & Clare
Jackson: Utopian Writing, 1516-1798 : Bibliography, URL:
http://www.trin.cam.ac.uk/rws1001/utopia/bibliog.htm (2009-06-09, gesehen
2011-08-29).
[5]
s.o..
[6]
siehe z.B. zusätzlich zum
bereits erwähnten: Bibliothèque
Nationale de France (ed.): Bibliographie
générale, URL: http://expositions.bnf.fr/utopie/cabinets/rep/indbiblio.htm
(2004-07-07, gesehen 2011-08-19).
[7]
siehe z.B. Heinrich C. Kuhn: Ideal Constitutions in the Renaissance: Sizes, structures, dynamics,
(dis)continuities in:
Heinrich C. Kuhn & Diana Stanciu (edd.): "Ideal Constitutions in the Renaissance",
Frankfurt a.M. [Peter Lang] 2009, pp. 9-27, hier p. 20s.
[8]
Obwohl einigen von denen die
Erfahrung mit Gremien akademischer Selbstverwaltung haben Zweifel daran
gekommen sein mögen, dass Gelehrtenherrschaft optimale Herschafft ist.
[9] Heinrich
C. Kuhn: Ideal Constitutions in the Renaissance: Sizes, structures, dynamics,
(dis)continuities in:
Heinrich C. Kuhn & Diana Stanciu (edd.): "Ideal Constitutions in the Renaissance",
Frankfurt a.M. [Peter Lang] 2009, pp. 9-27, hier p. 23s: '... the
results have confirmed, that the text in question is a response to a specific situation, a text
not only about but also for a specific commonwealth: and advocates not the "ideal constitution" nor
even an "ideal
constitution" but this particular
"ideal constitution". ₡ The texts differ greatly, yet they belong together because of their
common set of basic reference texts, because of their interrelations and, last
but not least, because they have in common the quest for the best || possible
constitution for a specific commonwealth - in spite of the differences between
these commonwealths. And perhaps this is what is most fascinating. These
authors propose answers to the question of what the best constitution might be
in a continuum extending from empires to villages and abbeys, from Europe to
America to Utopia, from hegemony to subsistence. In their radically dissimilar
contexts, and with radically differing results, they seem to be occupied not so
much with the question of how best to construct and run a state, but with the
question of what constitutes a "good" community.'
"
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