Ausschnitte aus hck: "Philosophie der Renaissance": Teil 12
Hier der zwölfte und letzte Teil der Ausschnitte aus meinem 2014
erschienenen Einführungsband zur Philosophie der Renaissance.
Zum Kontext
und für Auszüge aus dem in den Band einführenden Kapitel "München
2013" siehe hier. Auszüge aus dem
vorigen Kapitel ("Peking 1601") gibt's hier .
Hier die Ausschnitte (die diesmal
fast das ganze, kurze Kapitel wiedergeben) :
"
Paris 1625 / München 2013
Zwei Orte, zwei weit
auseinanderliegende Jahre, ein kurzer Epilog.
Der Band endet. Um
die Mitte des 17. Jahrhunderts. Trotz aller Folgen des Dreißigjährigen Krieges
(wie teilweiser oder weitgehender Zusammenbruch des weltumspannenden Gemeinsamen
Hochschulraumes, niedrigeres Niveau der Zahl philosophischer Drucke mindestens
in Mitteleuropa): wie in den beiden vorangegangenen Kapiteln gezeigt: die
Traditionen und Wirkungen der in diesem Band behandelten Texte enden erst
später - um dann noch später nur als Gegenstand historischer Studien, nicht als
Teil lebendiger Tradition wieder Gegenstand mehr oder minder breiterer
Untersuchung zu werden.[1]
<...>
Eine Epoche kann[2]
(auch) als beendet, abgeschlossen betrachtet werden: wenn sie als abgeschlossen
behandelt werden kann, oder ihre Inhalte als abgeschlossen behandelt werden
können: und dies dadurch nachgewiesen ist, dass sie und/oder ihre Inhalte als
abgeschlossen behandelt wurden, wenn
sie bzw. ihre Inhalte zum Gegenstand spezifisch historischer Behandlung geworden sind.
Ab wann dies in bezug
auf die Renaissance vollständig und klar der Fall ist, vermag ich nicht zu
sagen; - das Werk in dem es geschieht wäre ohnehin als etwas nach dem worüber dieser Band hier
handelt stehendes zu betrachten (und damit nicht mehr Gegenstand dieses Bandes
hier).
Doch es gibt
mindestens einen Text, der nicht nach, sondern genau an solcher Grenze steht. 1625 erscheint in Paris Gabriel Naudés[3] Apologie pour tous les grands personnages qui ont esté faussement
soupçonnez de Magie.[4] In
diesem Werk bezieht sich Naudé auf verschiedene Texte aus der Zeit über die
dieser Band hier handelt; teils sie als Belege/Sekundärliteratur für die eigene
Ansicht (oder von dieser abweichende Positionen verwendend:[5]
z.B.: Francis Bacon,[6]
Niccoló Machiavelli,[7]
die beiden Pico, Nizolius und Franciscus Patritius,[8]
Trithemius;[9]
teils aber auch sie historisch,[10]
mit Interesse an Kontexten wie Argumentationszielen untersuchend: z.B.: Telesio,
Franciscus Patritius, Campanella, Francis Bacon, Giordano Bruno,[11]
Paracelsus,[12]
Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim,[13]
Trithemius.[14]
Naudés Text kann
als Text in dem Texte der Renaissance sowohl Gegenstand zeitgenössischer
Auseinandersetzung als auch Gegenstand historischer Untersuchung sind, als
Monument des Zueinemendekommens der Renaissance betrachtet werden.
Philosophische
Texte der Renaissance "wiederzubeleben", erneut zum Teilen einer
lebendigen Tradition von Bezugspunkten zeitgenössischer philosophischer
Diskussionen zu machen scheint mir weder möglich noch sinnvoll. Nützlicher sein
können sie in philosophiehistorischer Betrachtung: als Belege für und Anlass
zur Einsicht in die Kontextgebundenheit und zugleich Freiheit menschlichen
Denkens, im besten Fall gar Einsicht in die Kontextgebundenheit und zugleich
Freiheit unseres jeweils eigenen Denkens.
[1]
Warum es zum Traditionsbruch kam
vermag ich nicht zu sagen. Vergleicht man Bruckers Behandlung der Philosophie
der Renaissance mit der Hegels, so wird offensichtlich das der Bruch zwischen
der zweiten Hälfte des 18. Und der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts liegt.
Ursachen für den Bruch wüsste ich nicht einmal spekulierend zu nennen. (Sie
z.B. im Verfall von Lateinkenntnissen zu suchen scheint ein Irrweg: Antike
griechische Philosophie ist heute weit "lebendiger" Teil und/oder
Bezugspunkt aktueller philosophischer Diskussionen als es die Philosophie der
Renaissance ist, obwohl zur Auseinandersetzung mit antiker griechischer
Philosophie Kenntnis mindestens einer toten Sprache [in diesem Falle des
Altgriechischen] und mehrerer lebender Sprachen ebenso nützlich ist wie zur
Auseinandersetzung mit der Philosophie der Renaissance Kenntnis mindestens
einer toten Sprache [in diesem Falle z.B. des Lateinischen] und mehrerer
lebender Sprachen.) Viele, ja vielleicht die meisten philosophischen Texte der
Renaissance scheinen stärker kontextbezogen als die anderer Zeiten, aber dies
hat nach dem Ende der Jahrzehnte über die dieser Band hier handelt noch
mindestens ein Jahrhundert lang lebendige Auseinandersetzung mit ihnen nicht
verhindert.
[2]
Nicht "muss"!
[3]
Die beste mir bekannte
Einführungsmonographie zu Naudé ist immer noch: James V. Rice: Gabriel Naudé 1600-1653, Baltimore [The Johns Hopkins
Press] 1939 (verwendet als Reprint Breiningsville [Kessinger] 2010 [wohl POD]).
[4] Gabriel
Naudé: Apologie Pour Tous Les Grands Personnages qui ont esté faussement soupçonnez de Magie, Paris [François Targa] 1625, online zugänglich unter URL http://books.google.de/books?id=5fs9AAAAcAAJ [gesehen 2013-03-20]. Ich selbst
verwende die folgende Ausgabe (aus dem Todesjahr des Autors): Gabriel Naudé: Apologie Pour Tous Les Grands Personnages qui ont esté faussement soupçonnez
de Magie, La Haye [Adrian Vlac] 1653, online zugänglich unter URL http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k57709q
[gesehen 2013-03-20], im folgenden
zitiert als AM1653. Zu
Text und Kontext siehe James V. Rice:
Gabriel Naudé 1600-1653, Baltimore [The Johns Hopkins
Press] 1939 (verwendet als Reprint Breiningsville [Kessinger] 2010 [wohl POD]),
pp. 47-72, und dort insbes. p. 48s & pp. 63-72.
[5]
Dies ist die Verwendung die auch
wir für solche Zwecke von uns hinreichend aktuell erscheinender Literatur
machen, eine Verwendung die von etwaig bestehendem mehr oder minder
beträchtlichen zeitlichen Abstand absieht: eine Verwendung, die die Texte als für
den Zweck der jeweiligen Abhandlung als der Abhandlung zeitgenössisch behandelt
(so wie ich es oben mit dem Verweis auf James V. Rice: Gabriel Naudé 1600-1653, Baltimore [The Johns Hopkins
Press] 1939 (verwendet als Reprint Breiningsville [Kessinger] 2010 [wohl POD])
getan habe). Vgl. auch AM1653, p. 79: "Jean Denys
excellent Mathematicien de nostre temps
qui fit imprimer une Apologie pour sa defence l'an 1570. & plaida luy mesme sa cause à Londre".
Andreas Fischers überlegenem
Geschick im Umgang mit Google Books-Suche
verdanke ich den Hinweis, dass wohl in Wayne Shumaker (ed. &
trans.) & John L. Heilbron (intr.):
John Dee on Astronomy : Propaedeumata
aphoristica (1558 and 1568), Berkeley [University of California Press]
1978, p. 33 eine nicht unplausible Identifizierung dieses "Jean
Denys" mit John
Dee stattfindet - wohl bezogen (auch dies verdanke ich Andreas Fischer) auf John Dees Vorwort zu Henry
Billingsley (trans.): The elements of geometrie of the most
auncient philosopher Euclide of Megara. Faithfully (now first) translated into
the Englishe toung, by H. Billingsley, citizen of London. Whereunto are annexed
certaine scholies, annotations, and inuentions, of the best mathematiciens,
both of time past, and in this our age. With a very fruitfull praeface made by
M. I. Dee, specifying the chiefe mathematicall sciences, what they are, and
wherunto commodious: where, also, are disclosed certaine new secrets
mathematicall and mechanicall, untill these our daies, greatly missed,
London [John Daye] 1570 (Dees Vorwort dort ff. <a iii>r - A.iiii.r ; dort
A Digression Apologeticall ff.
A.i.v-Aiii.r) (John Dee starb 1608, so dass "de nostre temps" in diesem Falle i.d.T.
eindeutig zutreffend wäre, da Naudé selbst 1600 geboren wurde. Francis
Bacon [v.i.] war 1625, als Naudés Apologie
zum ersten Mal gedruckt wurde, noch am Leben.)
[6]
AM1653, p. 43s.
[7]
AM1653, p. 52.
[8]
AM1653, pp. 101-104
[9]
AM1653, p. 517.
[10] Cf.
James V. Rice: Gabriel Naudé 1600-1653, Baltimore
[The Johns Hopkins Press] 1939 (verwendet als Reprint Breiningsville
[Kessinger] 2010 [wohl POD]), p. 48: "he is among the
first writers to feel a keen necessity for the historical approach." & p. 70: "His
sense of historical development and the circumstances surrounding each person
is e3xcellent.".
[11]
AM1653, p. 331: man beachte,
dass sowohl Bacon als auch Patritius in der Apologie sowohl als Autoren von
Sekundärliteratur als auch als Gegenstände der Untersuchung auftauchen! Die
Behandlung von Jean Bodin und James (VI./I.) Stuart König von Schottland und
England AM1653, p. 127s scheint mir
zwischen historischer Untersuchung und Polemik zu stehen. Wie die Behandlung
Savonarolas (AM1653, p. 446sqq)
einzuordnen wäre, weiss ich nicht zu sagen; gleiches gilt für die Giovanni
Picos AM1653, p. 499sqq.
[12]
AM1653, p. 391sqq.
[13]
AM1653, p. 400sqq.
[14]
AM1653, pp. 508-512 : ein weiteres Beispiel eines Autors der sowohl
als Autor von Sekundärliteratur als auch als Untersuchungsgegenstand Verwendung
findet.
"
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