2015-08-17

Centuria I, Experimentum 41: Orte und Jahre: Paris 1625 / München 2013

Ausschnitte aus hck: "Philosophie der Renaissance": Teil 12





Hier der zwölfte und letzte Teil der Ausschnitte aus meinem 2014 erschienenen Einführungsband zur Philosophie der Renaissance.


Zum Kontext und für Auszüge aus dem in den Band einführenden Kapitel "München 2013" siehe hier. Auszüge aus dem vorigen Kapitel ("Peking 1601") gibt's   hier  .


Hier die Ausschnitte (die diesmal fast das ganze, kurze Kapitel wiedergeben) :

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Paris 1625 / München 2013

            Zwei Orte, zwei weit auseinanderliegende Jahre, ein kurzer Epilog.

            Der Band endet. Um die Mitte des 17. Jahrhunderts. Trotz aller Folgen des Dreißigjährigen Krieges (wie teilweiser oder weitgehender Zusammenbruch des weltumspannenden Gemeinsamen Hochschulraumes, niedrigeres Niveau der Zahl philosophischer Drucke mindestens in Mitteleuropa): wie in den beiden vorangegangenen Kapiteln gezeigt: die Traditionen und Wirkungen der in diesem Band behandelten Texte enden erst später - um dann noch später nur als Gegenstand historischer Studien, nicht als Teil lebendiger Tradition wieder Gegenstand mehr oder minder breiterer Untersuchung zu werden.[1]


             
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            Eine Epoche kann[2] (auch) als beendet, abgeschlossen betrachtet werden: wenn sie als abgeschlossen behandelt werden kann, oder ihre Inhalte als abgeschlossen behandelt werden können: und dies dadurch nachgewiesen ist, dass sie und/oder ihre Inhalte als abgeschlossen behandelt wurden, wenn sie bzw. ihre Inhalte zum Gegenstand spezifisch historischer Behandlung geworden sind.
            Ab wann dies in bezug auf die Renaissance vollständig und klar der Fall ist, vermag ich nicht zu sagen; - das Werk in dem es geschieht wäre ohnehin als etwas nach dem worüber dieser Band hier handelt stehendes zu betrachten (und damit nicht mehr Gegenstand dieses Bandes hier).

            Doch es gibt mindestens einen Text, der nicht nach, sondern genau an solcher Grenze steht. 1625 erscheint in Paris Gabriel Naudés[3] Apologie pour tous les grands personnages qui ont esté faussement soupçonnez de Magie.[4] In diesem Werk bezieht sich Naudé auf verschiedene Texte aus der Zeit über die dieser Band hier handelt; teils sie als Belege/Sekundärliteratur für die eigene Ansicht (oder von dieser abweichende Positionen verwendend:[5] z.B.: Francis Bacon,[6] Niccoló Machiavelli,[7] die beiden Pico, Nizolius und Franciscus Patritius,[8] Trithemius;[9] teils aber auch sie historisch,[10] mit Interesse an Kontexten wie Argumentationszielen untersuchend: z.B.: Telesio, Franciscus Patritius, Campanella, Francis Bacon, Giordano Bruno,[11] Paracelsus,[12] Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim,[13] Trithemius.[14]
            Naudés Text kann als Text in dem Texte der Renaissance sowohl Gegenstand zeitgenössischer Auseinandersetzung als auch Gegenstand historischer Untersuchung sind, als Monument des Zueinemendekommens der Renaissance betrachtet werden.



            Philosophische Texte der Renaissance "wiederzubeleben", erneut zum Teilen einer lebendigen Tradition von Bezugspunkten zeitgenössischer philosophischer Diskussionen zu machen scheint mir weder möglich noch sinnvoll. Nützlicher sein können sie in philosophiehistorischer Betrachtung: als Belege für und Anlass zur Einsicht in die Kontextgebundenheit und zugleich Freiheit menschlichen Denkens, im besten Fall gar Einsicht in die Kontextgebundenheit und zugleich Freiheit unseres jeweils eigenen Denkens.




[1]           Warum es zum Traditionsbruch kam vermag ich nicht zu sagen. Vergleicht man Bruckers Behandlung der Philosophie der Renaissance mit der Hegels, so wird offensichtlich das der Bruch zwischen der zweiten Hälfte des 18. Und der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts liegt. Ursachen für den Bruch wüsste ich nicht einmal spekulierend zu nennen. (Sie z.B. im Verfall von Lateinkenntnissen zu suchen scheint ein Irrweg: Antike griechische Philosophie ist heute weit "lebendiger" Teil und/oder Bezugspunkt aktueller philosophischer Diskussionen als es die Philosophie der Renaissance ist, obwohl zur Auseinandersetzung mit antiker griechischer Philosophie Kenntnis mindestens einer toten Sprache [in diesem Falle des Altgriechischen] und mehrerer lebender Sprachen ebenso nützlich ist wie zur Auseinandersetzung mit der Philosophie der Renaissance Kenntnis mindestens einer toten Sprache [in diesem Falle z.B. des Lateinischen] und mehrerer lebender Sprachen.) Viele, ja vielleicht die meisten philosophischen Texte der Renaissance scheinen stärker kontextbezogen als die anderer Zeiten, aber dies hat nach dem Ende der Jahrzehnte über die dieser Band hier handelt noch mindestens ein Jahrhundert lang lebendige Auseinandersetzung mit ihnen nicht verhindert.
[2]           Nicht "muss"!
[3]           Die beste mir bekannte Einführungsmonographie zu Naudé ist immer noch: James V. Rice: Gabriel Naudé 1600-1653, Baltimore [The Johns Hopkins Press] 1939 (verwendet als Reprint Breiningsville [Kessinger] 2010 [wohl POD]).
[4]           Gabriel Naudé: Apologie Pour Tous Les Grands Personnages qui ont esté faussement soupçonnez de Magie, Paris [François Targa] 1625, online zugänglich unter URL http://books.google.de/books?id=5fs9AAAAcAAJ [gesehen 2013-03-20]. Ich selbst verwende die folgende Ausgabe (aus dem Todesjahr des Autors): Gabriel Naudé: Apologie Pour Tous Les Grands Personnages qui ont esté faussement soupçonnez de Magie, La Haye [Adrian Vlac] 1653, online zugänglich unter URL http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k57709q [gesehen 2013-03-20], im folgenden  zitiert als AM1653. Zu Text und Kontext siehe James V. Rice: Gabriel Naudé 1600-1653, Baltimore [The Johns Hopkins Press] 1939 (verwendet als Reprint Breiningsville [Kessinger] 2010 [wohl POD]), pp. 47-72, und dort insbes. p. 48s & pp. 63-72.
[5]           Dies ist die Verwendung die auch wir für solche Zwecke von uns hinreichend aktuell erscheinender Literatur machen, eine Verwendung die von etwaig bestehendem mehr oder minder beträchtlichen zeitlichen Abstand absieht: eine Verwendung, die die Texte als für den Zweck der jeweiligen Abhandlung als der Abhandlung zeitgenössisch behandelt (so wie ich es oben mit dem Verweis auf James V. Rice: Gabriel Naudé 1600-1653, Baltimore [The Johns Hopkins Press] 1939 (verwendet als Reprint Breiningsville [Kessinger] 2010 [wohl POD]) getan habe). Vgl. auch AM1653, p. 79: "Jean Denys excellent Mathematicien de nostre temps qui fit imprimer une Apologie pour sa defence l'an 1570. & plaida luy mesme sa cause à Londre". Andreas Fischers überlegenem Geschick im Umgang mit Google Books-Suche verdanke ich den Hinweis, dass wohl in Wayne Shumaker (ed. & trans.) & John L. Heilbron (intr.): John Dee on Astronomy : Propaedeumata aphoristica (1558 and 1568), Berkeley [University of California Press] 1978, p. 33 eine nicht unplausible Identifizierung dieses "Jean Denys" mit John Dee stattfindet - wohl bezogen (auch dies verdanke ich Andreas Fischer) auf John Dees Vorwort zu Henry Billingsley  (trans.): The elements of geometrie of the most auncient philosopher Euclide of Megara. Faithfully (now first) translated into the Englishe toung, by H. Billingsley, citizen of London. Whereunto are annexed certaine scholies, annotations, and inuentions, of the best mathematiciens, both of time past, and in this our age. With a very fruitfull praeface made by M. I. Dee, specifying the chiefe mathematicall sciences, what they are, and wherunto commodious: where, also, are disclosed certaine new secrets mathematicall and mechanicall, untill these our daies, greatly missed, London [John Daye] 1570 (Dees Vorwort dort ff. <a iii>r - A.iiii.r ; dort A Digression Apologeticall ff. A.i.v-Aiii.r) (John Dee starb 1608, so dass "de nostre temps" in diesem Falle i.d.T. eindeutig zutreffend wäre, da Naudé selbst 1600 geboren wurde. Francis Bacon [v.i.] war 1625, als Naudés Apologie zum ersten Mal gedruckt wurde, noch am Leben.)
[6]           AM1653, p. 43s.
[7]           AM1653, p. 52.
[8]           AM1653, pp. 101-104
[9]           AM1653, p. 517.
[10]          Cf. James V. Rice: Gabriel Naudé 1600-1653, Baltimore [The Johns Hopkins Press] 1939 (verwendet als Reprint Breiningsville [Kessinger] 2010 [wohl POD]), p. 48: "he is among the first writers to feel a keen necessity for the historical approach." & p. 70: "His sense of historical development and the circumstances surrounding each person is e3xcellent.".
[11]          AM1653, p. 331: man  beachte, dass sowohl Bacon als auch Patritius in der Apologie sowohl als Autoren von Sekundärliteratur als auch als Gegenstände der Untersuchung auftauchen! Die Behandlung von Jean Bodin und James (VI./I.) Stuart König von Schottland und England AM1653, p. 127s scheint mir zwischen historischer Untersuchung und Polemik zu stehen. Wie die Behandlung Savonarolas (AM1653, p. 446sqq) einzuordnen wäre, weiss ich nicht zu sagen; gleiches gilt für die Giovanni Picos AM1653, p. 499sqq.
[12]          AM1653, p. 391sqq.
[13]          AM1653, p. 400sqq.
[14]          AM1653, pp. 508-512 : ein weiteres Beispiel eines Autors der sowohl als Autor von Sekundärliteratur als auch als Untersuchungsgegenstand Verwendung findet.





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